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Freitag, 24. Mai 2019 - 18:00

Von der Dekonstruktion der Identität hin zu ihrer Verfestigung

Vortrag + Buchvorstellung: "Von der Dekonstruktion der Identität hin zu ihrer Verfestigung. Zur Kritik Judith Butlers und ihrer queerfeministischen Adept*innen" von Andrea Trumann in Kooperation mit FfeM.

Anfang der 1990er Jahren schwappte ein Trend aus den USA nach Deutschland herüber. Begriffe, wie "queer" und "gender" bestimmten nun den feministischen Diskurs. Daran hatte vor allem Judith Butlers "Gender Trouble" seinen maßgeblichen Anteil. Die Idee der Queer-Theorie die dichotome Zweigeschlechtlichkeit zu dekonstruieren, eindeutige Identitätszuschreibungen in Frage zu stellen und "so viele Geschlechter wie Individuen" auszumachen wirkte auf viele Feministinnen befreiend. Jedoch erwies sich die Verbalradikalität der Queer-Theorie als Schein, der die kapitalistische Ordnung nicht in Frage stellte, sondern nur um die Anerkennung der Ausgeschlossenen kämpfte. Die Produktionsverhältnisse waren jedoch kein Thema mehr. Seit ein paar Jahren ist von einigen Feministinnen die Kapitalismuskritik wiederentdeckt worden, und wurde versucht mit der Queertheorie zu verbinden. Dies führt jedoch ebenfalls nicht zu einer grundlegenden Gesellschaftskritik, sondern verbleibt auf der Ebene der Erscheinung. Judith Butler selbst fand die "deutsche Rezeption" ihrer Werke schon immer merkwürdig, da in Deutschland überall neue Möglichkeiten der Auflösung der Geschlechter gesehen wurden, statt den Zwangscharakter der Zuschreibung zu betonen. In den letzten Jahren ist jedoch von Butlers Identitätskritik in der queerfemininistischen Szene kaum etwas übrig geblieben, vielmehr kann man eine Vervielfältigung der Identitäten beobachten, die allesamt Sorge haben in Medien und Sprache zu wenig repräsentiert zu werden. Überall wird der Ausschluss gewittert und autoritär verfolgt.

Buchvorstellung: materializing Feminism. Positionierungen zu Iökonomie, Staat und Identität. (Beier, Yashodhara Haller & Haneberg)

Wir leben in einer Zeit, in der alle Lebensbereiche vom Kapitalismus durchdrungen sind. Gegen die Zumutungen der kapitalistischen Verwertungslogik wird das eigene Selbst ständig optimiert und individuelle Lösungsstrategien als Freiheit angepriesen. ›Einfache‹ Freiheitsversprechen werden nicht zuletzt auch in Teilen des Feminismus dargeboten und klingen umso vielversprechender, je weniger die kapitalistischen Strukturen hinterfragt werden. Gleichzeitig nehmen gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse zu und es sind nach wie vor Frauen, die einen Großteil der Fürsorge leisten und dadurch von liberalen Freiheitsversprechen ausgeschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund argumentieren die Herausgeber*innen und Autor*innen von materializing feminism für einen materialistischen Feminismus und damit einhergehend für eine kritische Auseinandersetzung mit ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen und aktuellen Entwicklungen. materializing feminism macht feministische Ökonomie- und Gesellschaftskritik sichtbar, setzt sich mit ihren Praxen und Gegenstrategien auseinander und lädt zum Weiterdenken ein.

Andrea Trumann arbeitet als Sozialpädagogin in einem feministischen Mädchenprojekt in Berlin und hat eine Tochter. Seit über 25 Jahren ist sie in verschiedenen Gruppierungen aktiv, um an der Aufhebung des schlechten Ganzen mitzuarbeiten. Daraus entstanden immer wieder Publikationen. Darunter das in der theorie.org-Reihe des Schmetterling-Verlags 2002 erschienene Buch: Feministische Theorie. Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus.

_source_ : https://www.facebook.com/events/2073548929602…