Sonntag, 28. April 2019 - 15:00
Gustav Landauers Kommunitärer Anarchismus - Anlässlich seines 100. Todestages
"Anarchie im ursprünglichen Sinne: Ordnung durch Bünde der Freiwilligkeit" - Gustav Landauers kommunitärer Anarchismus
Vortrag von Dr. Siegbert Wolf (Frankfurt/M.), Herausgeber der Ausgewählten Schriften Landauers.
Erinnert werden soll - anlässlich von dessen 100. Todestag - an den Anarchisten und Initiator zahlreicher libertärer Projekte Gustav Landauer (1870-1919), dessen Leben maßgeblich von den Werten der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit bestimmt war.
Als Literaturkritiker, Übersetzer, Roman- und Novellenautor, Vortragsredner und Essayist, als libertärer Sozialist und jüdischer Kulturphilosoph, genoss Gustav Landauer hohes Ansehen. Er agierte als Anti-Politiker, Sprach- und Kulturkritiker sowie Initiator zahlreicher libertärer Projekte. Er legte als erster eine umfangreiche Übersetzung der mittelhochdeutschen Predigten des Mystikers Meister Eckhart vor (1903) und wirkte mit am Hauptwerk "Beiträge zu einer Kritik der Sprache" (1901/02) seines langjährigen Freundes, des Sprachphilosophen und Theaterkritikers Fritz Mauthner (1849-1923). Aus dieser Kooperation entstand die Schrift "Skepsis und Mystik" (1903), die zusammen mit der geschichtsphilosophischen Monographie "Die Revolution" (1907) und dem programmatischen "Aufruf zum Sozialismus" (1911) für das Verständnis von Landauers Denken und Handeln grundlegend ist.
Was ihn vor allem antrieb, betraf die Unzufriedenheit mit der autoritären wilhelminischen Gesellschaft und die Suche nach einer menschlichen Gemeinschaft freier und gleichberechtigter Menschen in einer dezentralen und föderal vernetzten Welt. Auf sämtlichen Betätigungsfeldern wird diese Sehnsucht nach einem selbstbestimmten, frei vereinbarten Miteinander deutlich: Sowohl in dem von ihm 1908 gegründeten "Sozialistischen Bund" als auch in seiner Rezeption der Dramen Shakespeares sowie der Französischen Revolution von 1789, in seinen zahlreichen Vorträgen zur Literaturgeschichte ebenso wie etwa in seiner Sprachkritik oder in seinem Engagement für eine Regeneration des Judentums, seinem Antimilitarismus und seiner Mitwirkung an den revolutionären Ereignissen 1918/19.
Seine ausformulierte Konzeption eines libertären und föderativen Sozialismus - Stichwort: kommunitärer Anarchismus -, zielt auf eine herrschaftsfreie Gesellschaft gleichberechtigter und selbstverantwortlicher Menschen in einer dezentral und föderal vernetzten Welt. Das exemplarische Beginnen hier und heute ist dabei für Landauer zentral, um zu einer wirklich freien und gleichberechtigten Gesellschaft zu gelangen: "Verhältnisse sind das Verhalten der Menschen; und die Bedingung der Anarchie ist für mich die Überzeugung, dass jeder Mensch die Möglichkeit in sich trägt, sein Verhalten zu ändern, solange er lebt."
Während der Revolution von 1918/19 engagierte sich Gustav Landauer von München aus für eine freiheitliche Umgestaltung der Gesellschaft. Unablässig warb er für ein föderatives und dezentrales Rätesystem. Während der ersten bayerischen Räterepublik im April 1919 agierte er als "Volksbeauftragter für Volksaufklärung". Anfang Mai 1919 wurde er im Zuge der Niederschlagung der Revolution brutal ermordet.
Der Vortrag findet im Rahmen des Schwarzen Sonntags statt.